Nairooz Zeinal, geboren 1977 in Aleppo kam mit ihrem Mann und zwei Kindern 2015 nach Deutschland. Sie wurde in Syrien in Agrar- Forstwissenschaften ausgebildet und hat vor ihrer Flucht 15 Jahre im Agrarreformzentrum in Aleppo gearbeitet. Heute lebt sie mit ihrer Familie in Königswinter-Vinxel. Aktuell macht sie ein Büropraktikum beim Forum Ehrenamt.

Wie hast du dein Leben in Syrien vor dem Krieg in Erinnerung?
Diese Zeit im Frieden habe in sehr guter Erinnerung. Meine Kindheit und Jugend habe ich in Afrin verbracht, einer Gemeinde im Norden Syriens, eine sehr schöne Umgebung in vielseitiger Natur. Danach lebte ich während meines Studiums in Aleppo, auch dies war eine sehr schöne Zeit in meinem Leben.

Warum seid ihr geflüchtet und wie?
Vor den Kriegszerstörungen in Aleppo. Wir sind zu Fuß über die Grenze in die Türkei gegangen, dann mit einem Bus nach Istanbul, wo wir ein Visum für Deutschland beantragt haben. Von dort aus sind wir nach Deutschland geflogen. Ich habe eine Schwester, die bereits in Bonn wohnt, die hatte uns Tickets besorgt. Das hat alles wohl erleichtert.

Wie würdest du eure emotionale Belastung während eurer Flucht beschreiben?
Es war für uns alle eine unbeschreibliche Situation, die wir uns vorher nie hätten vorstellen können. Wir kamen ja aus einem ganz geregelten, guten Leben, was ich noch immer sehr vermisse. Nach der Flucht fühlte ich mich kaputt und wie gestorben, verlassen in einem fremden Land. Am Ende wäre ich fast depressiv geworden.

Und wie geht es euch heute, hier in Königswinter?
Verglichen mit zuvor, schon deutlich besser.

Was hat euch bis heute wieder aufgebaut?
Zum einen haben mein Mann und ich viel Motivation daraus gezogen, für unsere Kinder da zu sein. Zum anderen konnte im Heim durch die Betreuung und Zuwendung der Mitarbeiter und Ehrenamtlichen die traurige Situation von uns Flüchtlingen etwas aufgefangen werden.

Welchen Eindruck hattet ihr von den Deutschen?
Dort haben wir sehr nette und hilfsbereite Deutsche kennen gelernt, was half, die Distanz erstmal zu verringern. Ich glaube, durch die Kontakte zu den Deutschen im Heim hat man einfach mehr Chancen auf Integration, als wenn man unter sich bleibt.

Welche Erfahrungen hast du beim Sprachen lernen gemacht?
Anfangs war alles sehr fremd und sehr schwierig, fühlte mich wie ein Analphabet. Gleichzeitig gab es die Angst, nicht akzeptiert zu werden. Ich habe sofort mit der Sprache angefangen, aber offiziell konnte ich mit A1 erst nach 9 Monaten Wartezeit für die Aufenthaltsgenehmigung beginnen. Ich habe Kurse in Bonn und Stieldorf belegt.

Wie kamst du zum Forum Ehrenamt?
Bei einer Führung durch das Heim in Oberpleis bekam ich Kontakt zum Forum Ehrenamt. Nachdem ich dann mein Deutsch deutlich verbessert hatte, habe ich angeboten, selbst ehrenamtliche Arbeit zu übernehmen.

Was machst du ehrenamtlich und darüber hinaus?
Ehrenamtlich arbeite ich für das Kommunale Integrationsnetzwerk Siegburg als „Sprachmittlerin“, d.h. ich übersetze für andere im praktischen Alltag bei der Begleitung von Behördengängen, Arztterminen oder in der Grundschule. Das gleiche tue ich auch für zwei kurdische Nachbarsfamilien. Beim Forum Ehrenamt mache ich gerade ein Büropraktikum, darüber hinaus besuche ich einen Sprachkurs C1 in Bonn und ich kümmere mich um meine eigene Familie.

Was empfiehlst du Geflüchteten, um die deutsche Sprache zu lernen und sich in Deutschland zu integrieren?
Ich rate ihnen, eigene zu Ziele setzen und mit einem starken Willen und viel Disziplin Deutsch zu lernen (Eigenstudium, TV, Radio, Kurse), insbesondere aber über eigenes Sprechen in freier Kommunikation und das Zuhören. Sehr wichtig finde ich auch, mit Einheimischen Kontakte zu knüpfen, um die Alltagssprache zu sprechen.

Was wünschst du dir für die Zukunft?
Ich wünsche mir, die deutsche Sprache noch besser zu beherrschen und später eine Arbeit zu finden, die gut zu mir passt.

Das Interview führte Martin Bubner.


Martin Bubner, geboren 1960, war im Erstberuf als Architekt tätig und arbeitet heute als Theaterleiter, Schauspieler und Touristenführer in Bonn. Er lebt mit seiner Frau im Siebengebirge in Königswinter-Heisterbacherrott. Seit 2016 engagiert er sich in der Flüchtlingsarbeit beim Forum Ehrenamt. 

Du hast Architektur studiert und auch einige Jahre in diesem Beruf gearbeitet. Warum hast du den Beruf gewechselt bzw. warum wolltest du Schauspieler werden?
Ich war nicht so richtig glücklich mit meiner Berufswahl, stand am Ende meines Studiums und entdeckte beim Besuch eines Theaterkurses meine Leidenschaft für das Theater, das Spiel, den persönlichen Ausdruck über Körper und Stimme. Ich habe aber das Studium beendet und während des anschließenden Zivildienst diese neue Leidenschaft in Kursen und Seminaren erprobt. Danach habe ich aber zunächst einige Jahre als Architekt gearbeitet.

Hast du für die Ausübung des Schauspielberufes nicht auch noch eine Ausbildung machen müssen?
Nach einigen Jahren als Architekt war ich noch ein Jahr auf einer Theaterschule in Brüssel, bevor ich anfing, als Schauspieler zu arbeiten. Auch als Gäste- und Museumsführer in Bonn wurde ich in Seminaren geschult und geprüft.

Hast du in dieser Lebensphase auch schon mal ehrenamtlich gearbeitet?
Ja, während meiner Studienzeit bei Amnesty International in Stuttgart.

Und wie und wann kamst du zum Forum Ehrenamt?
2016 in der Flüchtlingskrise. Ich wollte Geflüchteten helfen.

Welche Erfahrungen hast du in der Arbeit mit Geflüchteten gemacht?
Zuerst habe ich mit größeren Gruppen auf spielerische Weise Grundlagen der deutschen Sprache vermittelt. Danach habe ich erst einen Syrer, dann einen Mann aus Sri Lanka Einzelunterricht (Grammatik, Kommunikation) gegeben, sowie bei privaten und behördlichen Dingen geholfen.

Wie ist das gelaufen? Wo gab es Probleme, wo Erfolge?
Erfolge gab es z.B. in Form einer bestandenen Prüfung. Der Ehrgeiz und Wille meiner Einzelfälle, Deutsch zu lernen, war ja gegeben. Ansonsten fand ich zuweilen die Ansprüche meiner Schützlinge an das, was ich für sie tun konnte, unrealistisch bzw. schwierig zu erfüllen.

Was empfiehlst du Geflüchteten, um sich leichter in Deutschland zu integrieren?
Vor allem die Sprache zu lernen und zu versuchen, mit Einheimischen Kontakte zu knüpfen, um die Alltagskommunikation zu pflegen und regelmäßig treffende Gruppen zu besuchen (Chöre, Theatergruppen, Sportvereine).

Womit verdienst du heute den Lebensunterhalt?
Als Gästeführer im Museum und Stadtführer in Bonn, außerdem durch Auftritte der von mir gegründeten Theatertruppe.

Was wünschst du dir für die Zukunft?
Den Abschluss einer therapeutischen Ausbildung (Atemtherapie), um damit noch eine weitere Berufsperspektive zu entwickeln. Aber ich werde mich in Kürze auch als Trainer für Präsenz und Kommunikation anbieten, denn das sind die Bereiche, in den ich in den letzten 25 Jahre Erfahrungen gesammelt habe.

Das Interview führte Nairooz Zeinal.