Interview mit Frau Elsbeth Balensiefen-Van Broek aus Königswinter-Oberpleis, Jahrgang 1943. Nach einer Ausbildung zur Industriekauffrau hat Frau van Broek geheiratet und bekam zwei Kinder. In ihrer letzten beruflichen Tätigkeit war sie Chefsekretärin bei der Konrad-Adenauer-Stiftung in Sankt Augustin. Ehrenamtlich ist sie aktuell in der Seniorenbetreuung engagiert.

Frau van Broek, gibt es etwas, was sie uns unbedingt gerne über sich erzählen möchten?
Ich möchte zunächst nur feststellen, dass alle drei Seniorinnen, mit denen ich gearbeitet habe, so unterschiedlich sie auch waren, aufgrund ihres Alters natürlich alle den Krieg miterlebt haben und man bemerkte bei allen, wie sie davon geprägt waren. Aber insbesondere meine erste Begleitung ist mir in besonderer Erinnerung.

Das wollte ich sie auch fragen: gab es ein besonderes Erlebnis in ihrer Arbeit, von der sie erzählen möchten?
Eben diese erste Begleitung war eine deutschstämmige alte Dame von der rumänischen Schwarzmeerküste (Jahrgang 1929), die 1944 nach einer langen Flucht mit ihrer Familie hier im Rheinland eine neue Heimat fand. Ich erfuhr viele Episoden aus ihrem bewegten Leben und es war ihr ein Bedürfnis, insbesondere über ihre Erlebnisse während der Flucht zu berichten. Erstaunlicherweise hat sie sich während unserer langen Unterhaltungen und Spaziergänge nicht ein einziges Mal wiederholt. So berichtete sie u.a. von der Zerstörung Dresdens durch Bombenangriffe, die sie miterlebte. Außerdem stimmte das familiäre Umfeld, denn die alte Dame wurde von ihren drei Töchtern abwechselnd sehr gut versorgt. Da die Kinder berufstätig bzw. nicht in unmittelbarer Nähe wohnhaft waren, kam ich gerne zweimal die Woche zu ihr. Mittlerweile ist die älteste Tochter selbst im Ruhestand und kümmert sich ausschließlich um die Mutter, die sich nun nicht mehr allein versorgen kann. Ich werde heute noch zu bestimmten Gelegenheiten eingeladen.

Und mittlerweile haben sie noch zwei weitere Seniorinnen betreut?
Ja, viel schwieriger war für mich die darauffolgende Begleitung einer älteren Dame im betreuten Wohnen, deren Demenz nie von einem Arzt diagnostiziert wurde. Sie verstarb nach einem Schlaganfall im November 2019. Später begleitete ich parallel dazu die Dame, bei der ich bis heute bin.

Bevor wir dazu kommen: worin bestand eigentlich ihre ursprüngliche Motivation, sich ehrenamtlich zu engagieren?
Da ich schon seit 2003 nicht mehr im Dienst bin und mein Mann verstorben war, suchte ich eine Beschäftigung, in der ich etwas für mich, aber auch für meinen Gegenüber tun konnte.

Und wie war dann ihr Einstieg in das Ehrenamt? Gab es da einen Schlüsselmoment?
Ja, im November 2013 bekam ich eine Einladung der Stadt Königswinter in der das Forum Ehrenamt als „Anlaufstelle für ältere Menschen“ vorgestellt wurde. Ich konnte mir damals gut vorstellen, mit älteren Menschen zu arbeiten. So bekam ich als fitte Seniorin wieder eine Aufgabe und weniger fitten Menschen wurde geholfen. Bevor ein Paar zusammen-gestellt wird, bietet das Forum Ehrenamt eine Qualifizierung und Schulung der Begleiter an.  In der Fortbildung ging es u.a. um Themen wie „Alt werden – Alt sein“ „Umgang mit kritischen Situationen“ „Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Lebenssituationen“ oder „rechtliche und soziale Grundlagen“. Grundsätzlich geht es also um die „Begleitung“ der Senioren, nicht „Betreuung“ oder gar Pflege.

Und wie sieht ihre ehrenamtliche Tätigkeit heute ganz konkret aus?
Heute in meiner dritten Begleitung habe ich anfangs der alten Dame nur zugehört. Inzwischen hat sich aber viel verändert, u.a. hat sich Vertrauen aufgebaut und mittlerweile gehen wir auch mal ins Café und plaudern dort. Ich begleite sie auch schon mal zu ihren nicht wenigen Arztbesuchen oder beim Einkauf. Aber nicht nur die aktuelle Situation um die Vergabe der Corona-Impftermine löst Unsicherheiten aus. Ich sage ihr immer, sie könne sich auf mich verlassen, zur Not fahre und begleite sie ins Impfzentrum nach Sankt Augustin. Das gibt dann wieder ein Stück Sicherheit. Ich finde aber, die Stadtverwaltung sollte den Transport der nicht mobilen Senioren organisieren.

Wenn sie also einen Wunsch frei hätten bezogen auf ihre Tätigkeit, wie würden sie den formulieren?

Also ich denke jeden Tag darüber nach, wie man noch mehr ältere Menschen bewegen könnte, hier ins Haus Heisterbach zu kommen, z.B. zu Angeboten wie dem „Mittwochscafé. Aber auch der Transfer hierher müsste gewährleistet sein. Ein solches Angebot ist ja mit der „Mobilen Stadt Königswinter“ vorhanden, das sollte man nochmal deutlich machen. Außerdem könnte ich mir Themennachmittage vorstellen. Dieses Angebot könnte noch stärker öffentlich gemacht werden, das muss die Menschen erreichen.

Was könnte darüber hinaus dazu beitragen, noch mehr Menschen zu ehrenamtlichem Engagement zu bewegen?

Wenn man wieder neue Leute gewinnen will, sollte man damit noch stärker in die Öffentlichkeit treten. Ich war allerdings selbst enttäuscht, nachdem ein Interview mit meiner ersten Seniorin über meine Begleitung mit Foto im Extra-Blatt erschien, und es gab damals keinerlei Resonanz.

Gibt es ihrer Einschätzung nach noch andere Zielgruppen, die das Forum Ehrenamt unterstützen sollte?

Vielleicht müsste man die Schwerpunkte wieder anders setzen. Ich hatte den Eindruck, dass die Seniorenarbeit seit 2015 vor dem Engagement für Flüchtlinge etwas in den Hintergrund getreten ist. Viele, die sich engagieren wollten, sind wohl in die Flüchtlingsarbeit gegangen.

Ja, das kann ich bestätigen, das war 2015 auch für mich die Motivation für ehrenamtliches Engagement. Inzwischen versuche ich, anderen die Freiwilligenarbeit auch in Form dieses Interviews näher zu bringen, vielen Dank dafür, Frau van Broek.

Das Interview führte Martin Bubner.